Noch heute ist sie im ganzen Tal unter ihrem Übernamen Gassana bekannt, doch ihren bürgerlichen Namen kannte kaum jemand.
Die Kindheit von Katharina musste sehr bewegt gewesen sein. Geboren wurde sie im Tschaggunser Ortsteil Zelfen, wo ihr Vater Franz Josef Walter (1844-1917) eine Landwirtschaft besaß. Franz Josef war in zweiter Ehe mit seiner Cousine mütterlicherseits Elisabetha Heim (1851-1922) aus Sankt Gallenkirch verheiratet. Zuvor war Franz Josef mit Anna Maria Mathies (1836-1878) aus Bartholomäberg verheiratet und hatte mit ihr neun Kinder. Mit seiner zweiten Ehefrau hatte er nochmals fünf Kinder, Katharina war das elfte von insgesamt vierzehn Kindern.
Ihre Kindheit war geprägt von ständigen Wohnortwechseln, die elterlichen Besitztümer wurden oft versteigert. So lebte die Familie zuerst in Zelfen, dann auf dem Gamplaschg, später wieder in Zelfen und schlussendlich in Schruns.
Mit 20 Jahren heiratete sie am 11. Jänner 1904 in Rankweil den Lohnmetzger Augustin Jenni (1871-1926) aus Blons und zog zu ihm ins Große Walsertal. Gemeinsam mit ihm hatte sie fünfzehn getaufte Kinder, eigenen Angaben zufolge sei sie über einundzwanzig Mal schwanger gewesen.
Nach 22 jähriger Ehe starb ihr Gatte an einer Lungentzündung und sie zog ihre Kinder so gut es eben ging alleine groß. Wer alt genug zum Arbeiten war wurde als Hirte, Knecht oder Magd zu Landwirten geschickt um die Familie zu unterstützen. Die Armut der Familie lässt sich in dieser Anektdote, die mir eine Urenkelin von Katharina Scheffknecht erzählt hat, ausdrücken.
Die Familie ist so arm gewesen, dass Katharina zu Fuß von Blons nach Bregenz gelaufen ist, um Butter & Käse gegen Kleidung zu tauschen.
1935 heiratet Witwe Katharina Jenni den gebürtigen Lustenauer Rudolf Scheffknecht (1870-1958). Zu der Zeit war er Koch und Wirt des Gasthauses Riedmiller in Bludenz. Das Leben im Städtle ließ er hinter sich, heiratete am 12. August 1935 Katharina in Blons und zog zu ihr um den verarmten Bergbauernhof mit ihr gemeinsam zu führen.
Der Krieg rückte näher und Katharinas Söhne wurden in die Wehrmacht eingezogen. Marianus, der Sprößling der einst den Hof übernehmen sollte, kehrte entgegen den anderen Söhnen nicht mehr aus dem Krieg zurück. Er ist am 19. November 1944 in Polen gefallen. Der Zweitjüngste, Bernhard, kam allerdings aus dem Krieg wieder zurück und das nicht alleine. Er brachte eine Wienerin, Helene Weixelbaum (1922-2007), mit. Helene war meine Urgroßmutter und als sie nach Vorarlberg kam wohl eine wohlerzogene junge, zierliche Frau. Es muss für sie wohl ein Kulturschock gewesen sein, von der prestigeträchtigen Stadt in das karge Bergtal. Die Gassana habe immer in lautem, rauen Ton zu ihr gesagt „Hargott Meiggi, etz iss amol epas“. Die Uroma hat das allerdings nicht verstanden und sich beim Uropa darüber beklagt wie Katharina mit ihr schrie, derweil hatte sie es ja nur gut gemeint.
Bernhard und Helene zogen nach Nenzing zur Familie von Bernhard Schwester Bernadetta und die Gassana lebte mit ihrem Kögle, wie sie ihren zweiten Mann nannte, wieder alleine in Blons.
Rudolf Scheffknecht war ein kleiner Mann im Vergleich zur Gassana, darum nannte sie ihn spöttisch immer „mis Kögle“
Blons wurde im Jänner 1954 nahezu zerstört, obgleich der Ortsteil Valentschina etwas „besser“ davon kam, zerstörte die Muralawine am 11. Jänner frühmorgens den Hausstall. Doch viel verheerender war wohl der 28. September 1960 für Katharina.
In der Mittagszeit – zwischen 11 und 13Uhr – brach im Hause Nr. 69 »an der Gaß« (Katharina Scheffknecht) Feuer aus, dem das Gebäude zum Opfer fiel. Trotz Einsatz der Feuerwehr konnte das Haus nicht mehr gerettet werden. Der Brand war zu weit fortgeschritten und die Wasserbringung sehr erschwert. Die Brandursache blieb ungeklärt.
Chronik der Feuerwehr Blons von Eugen Dobler
Nach der Brandkatastrophe lebte Katharina noch eine Zeit lang in St. Gerold ehe sie 1961 zu ihrem Sohn Bernhard nach Schlins zog. Dort lebte sie im „Abäule“, zeitweise mit Sohn Josef. Ihr Mann Rudolf starb bereits 1958 als ältester Bürger der Gemeinde Blons.
Auch hier gibt es wieder eine nette Anektdote: Josef rauchte gerne Zigarren und zündete diese mit einem Zündholz an, dabei ließ er das Zündhölzle immer in der Wohnung fallen. Irgendwann bemerkte die Gassana, dass hier lauter Zündhölzer am Boden liegen und holte den Gendarm, denn sie war felsenfest davon überzeugt, dass ihre Schwiegertochter den Anbau in Brand setzen wollte. Dieses Misverständnis klärte sich dann aber entsprechend auf.
Katharina lebte bis 1965 in Schlins, danach wurde vom Arzt befunden, dass die Umstände im Anbau schädlich für Katharina seien und sie zog zu ihrer jüngsten Tochter Luise nach Nenzing wo sie am 29. Jänner 1966 nach einem arbeitsreichen Leben starb.
Ihr wird nachgesagt eine laute, raue und direkte Person gewesen zu sein, doch sie trat jedem, egal ob jung oder alt, mit Respekt entgegen. Sie sei auch bekannt dafür gewesen Krankheiten mit Heilkräutern zu behandeln und ihre Kinder befanden sich stets in guter Obsorge bei Krankheit. Einige Aussagen bleiben den Walserinnen und Walsern heute noch in Erinnerung und zaubern dem einen oder anderen ein Schmunzeln ins Gesicht.
wenn wir zu viel oder zu lange draußen waren, sagte man wir wären ja schlimmer als die Gassana
Katharinas jüngste Tochter, Luise, wurde fast genau 12 Monate nach dem Ableben ihres ersten Mannes geboren. Als man sie im Walsertal darauf ansprach entgegnete sie, dass sie wohl selbst entscheiden könne wie lange sie schwanger ist.
Als man im alten Haus einmal Feuerbeschau abgehalten habe, habe der Beschauer zuerst den Weg freiräumen müssen, so vollgestellt sei der Keller gewesen.